Das Familienrecht ist auf dem Weg zu einer grenzüberschreitenden Gesetzgebung – einen weiteren wichtigen Schritt ging der EuGH mit Urteil vom 15. November: Demnach müssen Deutsche Behörden eine in Italien rechtsgültig außergerichtlich vorgenommene Scheidung anerkennen (Urt. v. 15.11.2022, Rs. C-646-20).

Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres hatte diesbezügliche Bedenken. Ein Streitfall landete jetzt
final vor dem EuGH.

Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller aus Wiesbaden: „Und genau da gehört der Fall auch hin: in einem zusammenwachsenden Europa müssen solch entscheidende Angelegenheiten grenzüberschreitend harmonisiert sein!“

Ehescheidung auch ohne Gerichtsverfahren

Es ging um eine nach italienischem Recht absolut ordnungsgemäß durchgeführte Scheidung. Die Scheidung wurde außergerichtlich von einem Standesbeamten vorgenommen. Diese, so der EuGH, gilt nun auch ohne jedes Wenn und Aber in Deutschland, z.B. in Steuerangelegenheiten oder bei familienrechtlichem Regelungsbedarf. Die Berliner Behörden sind der Meinung, dass die Scheidung einer in Deutschland geschlossene Ehe der Ehepartner mit unterschiedlicher Nationalität nur dort ablaufen darf, nicht nur, weil die Ehefrau im Rahmen einer doppelten Staatsbürgerschaft auch Deutsche ist, sondern weil Scheidungen aus Ländern, die kein gerichtliches Verfahren fordern, in Deutschland grundsätzlich nicht akzeptiert sind.

Scheidung gilt grenzüberschreitend

In Italien werden Ehen nicht unbedingt zwingend vor Gericht entschieden und demnach auch nicht immer im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens. So auch in dem vorliegenden Fall. Hier hatte das Standesamt in Parma die Ehe nach Vorlage einvernehmlicher Erklärungen beider Seiten ordentlich geschieden.

„Die Scheidung gilt nun auch in Deutschland“, so Rechtsanwalt Cäsar-Preller: „Zudem besteht auch ein Anspruch, die Scheidung in das deutsche Eheregister einzutragen!“

Dies hatte das Berliner Standesamt zuvor verweigert, weil keine Anerkennung der Scheidung durch das Landesjustizministerium vorlag.

Anerkennung der Scheidung

Vor dem EuGH ging es um die europäische Definition der Begrifflichkeit „Ehescheidung“. Wenn ein EU-Mitgliedstaat Ehen ohne Gerichtsverfahren scheidet, dann müssen dort vorgenommene Scheidungen auch in Mitgliedsstaaten gelten, in denen an ein Scheidungsverfahren deutlich höhere Ansprüche gestellt sind.

Eine Ehe gilt im juristischen Sprachgebrauch der EU-Mitgliedsstaaten als beendet, wenn sie in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren geschieden wurde.

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