Artikel von Ralf Heidenreich – Wiesbadener Kurier, https://www.wiesbadener-kurier.de/wirtschaft/wirtschaft-ueberregional/urlaub-in-corona-zeiten-was-arbeitnehmer-wissen-mussen_22417572

Muss ich meinem Arbeitgeber sagen, wohin ich in Urlaub fahre? Darf er sich weigern, das Gehalt auszahlen, wenn ich in Quarantäne bin? Urlaub in Corona-Zeiten – wir klären auf.

FRANKFURT / WIESBADEN – Weltweit steigen die Corona-Infektionszahlen sprunghaft an. Die Zahl der Risikogebiete wächst entsprechend. Was Arbeitnehmer jetzt beachten müssen.

Muss ich meinem Arbeitgeber sagen, wohin ich verreise?

Grundsätzlich Nein, sagen die Gewerkschaften, denn das sei Privatangelegenheit. Dagegen schreibt der Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA), dass der Arbeitgeber berechtigt ist, einen Urlaubsrückkehrer zu fragen, ob er in einem Risikogebiet war. Was gilt nun? Beim genaueren Hinschauen liegen die beiden Aussagen relativ dicht beieinander. Denn auch der DGB erläutert, dass die Privatangelegenheit enden kann, wenn der Betreffende in einem Risikogebiet war. Denn dann gehe es auch um die Gesundheit der Kollegen. Der Wiesbadener Anwalt Joachim Cäsar-Preller, Experte für Arbeitsrecht, geht noch weiter: In Zeiten einer Pandemie „muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilen, wohin er in Urlaub fährt. Denn der Arbeitgeber hat eine besondere Fürsorgepflicht und muss entsprechende Vorkehrungen treffen.“ So könne es nach der Rückkehr zu Ausfallzeiten des Arbeitnehmers kommen, wenn dieser in Quarantäne müsse.

Kann der Arbeitgeber mir verbieten, dass ich in einem Risikogebiet Urlaub mache?

Nein, rein rechtlich kann er das nicht. Das Reiseziel ist grundsätzlich eine Privatangelegenheit. „Allerdings kann es Probleme geben, wenn Sie aus dem Urlaub zurückkehren und deshalb Ihre Arbeitspflichten nicht wahrnehmen können“, hebt der DGB hervor. Weil man in Quarantäne ist oder an Covid-19 erkrankt. Probleme beispielsweise bei der Lohnfortzahlung (siehe nächste Frage).

Muss der Arbeitgeber mein Gehalt weiterzahlen, wenn ich in Quarantäne bin?


Kann man seine Arbeitsleistung weiter anbieten und ist Homeoffice möglich, ist es dem DGB zufolge relativ einfach. Problematisch wird es Experten zufolge, wenn man einen Beruf hat, in dem Homeoffice nicht möglich ist oder wenn die Krankheit selbst verschuldet wurde. Grundsätzlich gilt: Wer wegen staatlich angeordneter Quarantäne nicht arbeiten kann, hat gemäß Infektionsschutzgesetz einen Entschädigungsanspruch, der sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall (Nettogehalt) bemisst. Laut Thorsten Ruppel, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Wetzlar, tritt der Arbeitgeber in Vorleistung und erhält die Entschädigung wieder vom Land erstattet. Danach zahlt das Land direkt, vergleichbar dem Krankengeld. Der Entschädigungsanspruch besteht allerdings nicht, wenn man nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet ohne staatliche Anordnung freiwillig in Quarantäne geht. Probleme kann es auch geben, wenn ich an Covid-19 erkranke, weil ich Urlaub in einem Risikogebiet gemacht habe. Denn der grundsätzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit kann erlöschen, wenn man diese selbst verschuldet hat. Letzteres gelte laut Bundesarbeitsgericht, wenn man „in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartete Verhaltensweise verstößt“, so der DGB. Der aber auch darauf hinweist, dass sich gemäß der Rechtsprechung noch nicht abschließend beurteilen lässt, ob dieses Maß erreicht ist, wenn man bewusst in ein Risikogebiet mit Reisewarnung fährt.

Wenn mein kleines Kind in Quarantäne muss, weil es in Kita oder Schule einen Corona-Fall gibt, es selbst aber nicht krank ist: Habe ich Anspruch auf Kinderbetreuungstage oder muss ich Urlaub nehmen?

„Sollte das Kind in Quarantäne müssen, kann der Arbeitnehmer Kinderbetreuungstage nehmen“, sagt Anwalt Cäsar-Preller. Ähnlich sieht das sein Kollege Thorsten Ruppel. So habe der Arbeitnehmer gemäß Paragraf 616 BGB auch dann Anspruch auf Vergütung, „wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ aus einem persönlichen Grund verhindert ist. Dazu gehöre auch die Betreuung von Kindern. Allerdings sei es umstritten, was unter einer „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ zu verstehen sei.

Habe ich ein Recht darauf, meinen genehmigten Urlaub wieder zu stornieren, wenn ich ihn nicht antrete, weil für das betreffenden Land wegen Corona jetzt eine Reisewarnung ausgesprochen worden ist?

Auch hier ein klares Nein. Ein Recht, den bereits bewilligten Urlaub zu stornieren, gebe es nicht, so der DGB. Sei der Urlaub erst einmal gewährt, könne er nicht einseitig vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer widerrufen werden. „Sie können insoweit nur auf Kulanz Ihres Arbeitgebers hoffen“.

Darf mein Arbeitgeber mich in Urlaub schicken, weil es wegen der Pandemie nicht genügend zu tun gibt?

Nach Angaben des DGB darf er das nicht so einfach tun. Grundsätzlich müsse der Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen, „es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen“. Das Verbraucherportal Finanztip weist indes darauf hin, dass der Arbeitgeber Betriebsferien oder Betriebsurlaub anordnen darf – „falls es einen Betriebsrat gibt, allerdings nur mit dessen Zustimmung“. Und dass man sich etwa auch auf das Abfeiern von Überstunden einigen kann.

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